Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR): Ein umfassender Leitfaden für Unternehmen

Die Europäische Union hat mit der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR), die am 29. Juni 2023 in Kraft getreten ist, einen entscheidenden Schritt im Kampf gegen die globale Entwaldung unternommen. Diese Verordnung soll sicherstellen, dass bestimmte Rohstoffe und Erzeugnisse, die auf dem EU-Markt gehandelt werden, nicht zur Zerstörung von Wäldern weltweit beitragen. Angesichts des alarmierenden Verlusts von rund 37.000m² Wald pro Minute – eine Fläche, die über 10 Fußballfeldern entspricht – und eines Rückgangs der weltweiten Baumbestände um 11% seit dem Jahr 2000, ist die Dringlichkeit dieser Maßnahmen offensichtlich. Hauptursachen der Entwaldung sind dabei vor allem großflächige kommerzielle Landwirtschaft (40%), lokale Subsistenzlandwirtschaft (33%), städtische Expansion (10%), Infrastruktur (10%) und Bergbau (7%).

Stefano Marcone

9/3/20253 min read

Wer ist betroffen und welche Produkte fallen unter die EUDR?

Die EUDR betrifft alle Marktteilnehmer – also Unternehmen, die relevante Rohstoffe oder Erzeugnisse in der EU in Verkehr bringen oder exportieren. Auch Händler müssen die Konformität ihrer Waren sicherstellen. Große und mittlere Unternehmen müssen die Regelungen ab dem 30. Dezember 2025 vollständig umsetzen, während Klein- und Kleinstunternehmen (KMU) eine zusätzliche Frist bis zum 30. Juni 2026 erhalten. KMU haben zwar reduzierte Pflichten, müssen aber ebenfalls nachweisen, dass ihre Produkte entwaldungsfrei sind.

Die Verordnung gilt für sieben spezifische Rohstoffe und eine Vielzahl von daraus hergestellten Folgeprodukten, die in Anhang I aufgeführt sind:

  • Holz

  • Kakao

  • Kautschuk

  • Rind

  • Palmöl

  • Kaffee

  • Soja

Dazu zählen beispielsweise Lederwaren, Schokolade oder bedrucktes Papier. Es gibt keine Schwellenwerte, und die Anforderungen gelten unabhängig vom Herstellungsort der Produkte.

"Entwaldungsfrei" bedeutet im Sinne der EUDR, dass die Rohstoffe oder Produkte nicht von Flächen stammen dürfen, die nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet oder geschädigt wurden. Die EUDR ersetzt die frühere EU-Holzhandelsverordnung (EUTR) und bekämpft Entwaldung und Waldschädigung unabhängig von deren Legalität.

Die zentralen Sorgfaltspflichten für Unternehmen

Um die Konformität mit der EUDR zu gewährleisten, müssen Unternehmen ein dreistufiges Sorgfaltspflichtverfahren (Due Diligence) implementieren:

  1. Sammlung von Informationen: Unternehmen müssen detaillierte Angaben sammeln und für fünf Jahre aufbewahren. Dazu gehören:

    • Produktbeschreibung (Handelsname, Art, Holzart, enthaltene Rohstoffe).

    • Mengenangaben.

    • Ursprungsangaben: Erzeugerland und dessen Landesteile sowie die Geolokalisierung der Grundstücke, auf denen die Rohstoffe erzeugt wurden, einschließlich des Zeitraums der Erzeugung. Bei Rindern müssen alle Betriebe, einschließlich Weideflächen und Schlachthöfe, geolokalisiert werden.

    • Informationen zu Lieferanten und Kunden.

    • Nachweis über die Entwaldungsfreiheit und die Rechtskonformität der Produktion.

  2. Risikobewertung: Auf Basis der gesammelten Informationen muss eine Analyse der Entwaldungsrisiken im Produktionsland erfolgen. Nur wenn das Risiko als vernachlässigbar eingestuft wird, dürfen die Produkte verkauft oder exportiert werden.

    • Die EU-Kommission wird bis zum 30. Juni 2025 ein Länder-Benchmarking-System einführen, das Länder nach ihrem Entwaldungsrisiko (niedrig, Standard, hoch) kategorisiert. Waren aus Niedrigrisikoländern unterliegen vereinfachten Sorgfaltspflichten, während Hochrisikoländer strengere Kontrollen erfordern.

  3. Risikominderung: Wenn die Risikobewertung ein nicht vernachlässigbares Risiko ergibt, müssen Unternehmen Maßnahmen zur Risikominderung ergreifen. Dies kann das Anfordern zusätzlicher Informationen, die Durchführung unabhängiger Erhebungen oder Audits sowie die Unterstützung von Lieferanten umfassen. Größere Unternehmen müssen zudem einen Compliance-Beauftragten benennen und unabhängige Prüfungen ihrer Strategien durchführen lassen.

Nach Abschluss dieser Schritte muss eine Sorgfaltspflichtenerklärung (Due Diligence Statement, DDS) abgegeben werden, welche die Entwaldungsfreiheit, Legalität und Konformität der Produkte bestätigt. Ohne diese Erklärung ist der Handel nicht gestattet.

Herausforderungen und Chancen für Unternehmen

Die Umsetzung der EUDR bringt erhebliche Herausforderungen mit sich. Unternehmen müssen die Transparenz in komplexen Lieferketten sicherstellen, was einen erheblichen bürokratischen Aufwand und Kostensteigerungen durch zusätzliche Investitionen verursachen kann. Die genaue Nachverfolgung der Herkunft, insbesondere bei Massengütern oder zusammengesetzten Erzeugnissen, ist komplex und erfordert die Geolokalisierung aller beteiligten Grundstücke.

Gleichzeitig bietet die EUDR zahlreiche Chancen:

  • Stärkung des Umweltschutzes und Förderung nachhaltiger Praktiken.

  • Aufbau langfristiger Partnerschaften und Stärkung des Vertrauens von Kunden und Investoren.

  • Verbesserung der Marktposition und des Unternehmensimages.

  • Reduktion von Risiken und Steigerung der Effizienz.

  • Positionierung als Vorreiter im Umweltschutz und Beitrag zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen

Kontrollen und Sanktionen bei Verstößen

Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten wird von den Behörden der EU-Mitgliedstaaten durch regelmäßige Stichproben und Vor-Ort-Kontrollen überwacht, deren Häufigkeit vom Entwaldungsrisiko des Herkunftslandes abhängt. Bei Waren aus Hochrisikoländern werden 9% der Unternehmen geprüft, bei Standardrisikoländern 3% und bei Niedrigrisikoländern 1%.

Verstöße gegen die EUDR können weitreichende Konsequenzen haben:

  • Bußgelder von bis zu 4% des Jahresumsatzes.

  • Handelsverbote oder Rückrufe von Produkten.

  • Einziehung der Erzeugnisse und Einnahmen.

  • Beschlagnahme von Rohstoffen oder Produkten.

  • Öffentliche Nennung durch die EU.

Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein, um den wirtschaftlichen Nutzen aus Verstößen zu entziehen.

Acht Schritte zu entwaldungsfreien Lieferketten

Um die EUDR erfolgreich zu meistern, empfiehlt sich ein strukturierter Ansatz:

  1. Lieferkettenanalyse: Überprüfen Sie Ihre gesamte Lieferkette und bestehende Due-Diligence-Prozesse.

  2. Konzeption und Implementierung der Sorgfaltspflichten: Entwickeln Sie umfassende Compliance-Strategien und implementieren Sie die Due-Diligence-Anforderungen.

  3. Klärung von Zuständigkeiten: Stellen Sie sicher, dass alle relevanten Mitarbeiter die Anforderungen kennen und umsetzen.

  4. Überwachung der Umsetzung: Dokumentieren Sie alle Schritte und führen Sie regelmäßige Überprüfungen durch.

  5. Effiziente Kommunikation mit Partnern: Klären Sie Abhängigkeiten und stellen Sie eine offene Kommunikation mit Lieferanten sicher.

  6. Korrekte Erfassung und Nutzung von Geodaten: Investieren Sie in präzise und zuverlässige Geodatenerfassung.

  7. Einsatz von Technologien und Tools: Nutzen Sie digitale Lösungen (z.B. lawcode Suite) zur Überwachung und Analyse der Lieferkette.

  8. Gesetzliche Entwicklungen im Auge behalten: Verfolgen Sie kontinuierlich aktuelle Vorschriften und passen Sie Ihre Strategien an.

Fazit

Die EUDR stellt eine weitreichende und notwendige Verordnung dar, die Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Verantwortung für den Wald- und Umweltschutz in globalen Lieferketten wahrzunehmen. Durch die frühzeitige Anpassung der Geschäftsprozesse, die Implementierung transparenter Rückverfolgbarkeitssysteme und den Einsatz innovativer Technologien können Unternehmen nicht nur gesetzlichen Anforderungen gerecht werden, sondern auch aktiv zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen und ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.