Die Schweiz im Aufbruch – Was die USG-Revision für die Kreislaufwirtschaft bedeutet
Ein nachhaltiger Wandel beginnt mit einem klaren gesetzlichen Rahmen. Mit der Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) im März 2024 schlägt die Schweiz ein neues Kapitel in ihrer Umweltpolitik auf. Ziel: Die Transformation hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Doch was genau steckt hinter den neuen Regelungen – und wie können Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gemeinsam an einem ressourcenschonenden Zukunftsmodell arbeiten?
Stefano Marcone
7/29/20253 min read


Kreislaufwirtschaft als Gebot der Stunde
Unsere derzeitige Wirtschaftsweise ist weitgehend linear: Ressourcen werden entnommen, verarbeitet, genutzt – und anschließend entsorgt. Dieses System stößt zunehmend an seine Grenzen. Nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht ist eine Neuausrichtung notwendig. Die Kreislaufwirtschaft verspricht genau das: Materialien sollen länger im Umlauf bleiben, Abfälle zu Ressourcen werden und Produkte so gestaltet sein, dass sie reparierbar und wiederverwendbar sind.
Die Schweiz hinkt hier jedoch noch hinterher. Nur 7 Prozent Zirkularität verzeichnet der Circularity Gap Report. Gerade einmal 12 Prozent der Unternehmen haben kreislauforientierte Praktiken integriert. Mit der USG-Revision ist nun ein solider Rahmen geschaffen worden, um diesen Rückstand aufzuholen – und aus der Schweiz eine Vorreiterin zu machen.
Was die USG-Revision konkret verändert
1. Kreisläufe schließen – Recycling und Wiederverwendung stärken
Ein zentraler Bestandteil der Reform ist die Neuordnung der Abfallhierarchie. Die stoffliche Verwertung – sprich: Wiederverwendung und Recycling – steht nun über der energetischen Nutzung. Für bestimmte Materialien ist das Recycling sogar gesetzlich vorgeschrieben, darunter Phosphor aus Klärschlamm oder Metalle aus der Abwasserbehandlung.
Bemerkenswert: Die „Vorbereitung zur Wiederverwendung“ wurde als neue Form der Abfallbehandlung verankert. Das bedeutet, dass z. B. Elektrogeräte nicht automatisch recycelt werden müssen, sondern erst auf Wiederverwendbarkeit geprüft werden dürfen. Zudem wurde Littering gesetzlich erfasst – mit Bussen bis zu 300 Franken für Umweltverschmutzer.
2. Kreisläufe verlangsamen – Produkte langlebiger gestalten
Ein Produkt, das länger hält, schont Ressourcen – und stärkt die Kundenbindung. Die Revision gibt dem Bundesrat nun die Kompetenz, Anforderungen an Lebensdauer, Reparierbarkeit und Ersatzteilverfügbarkeit zu definieren. Die Einführung eines Reparaturindexes ist ebenfalls möglich – ein Instrument, das bereits in Frankreich erfolgreich eingeführt wurde.
Doch hier liegt auch ein Schwachpunkt: Viele dieser neuen Regelungen sind als "Kann-Bestimmungen" formuliert. Ihre Wirksamkeit hängt somit stark vom politischen Willen ab. Auch die Wirtschaft steht in der Pflicht, Design und Produktion neu zu denken.
3. Kreisläufe verengen – Ressourceneffizienz steigern
Durch Anforderungen an die Verwertbarkeit von Produkten und Verpackungen sollen Ressourcen sparsamer eingesetzt werden. Die sogenannte Eco-Modulation – also differenzierte Recyclingbeiträge je nach Rezyklierbarkeit eines Produkts – soll zusätzliche Anreize schaffen, kreislauffähige Produkte auf den Markt zu bringen.
Kreislaufwirtschaft ermöglichen: Branchenlösungen, Bauwesen und Bildung
Die Revision erkennt an, dass Kreislaufwirtschaft mehr ist als Technik – sie ist auch Organisation, Kooperation und Bildung.
Branchenlösungen werden gestärkt: So kann der Bund bestimmte Recyclingbeiträge für Inverkehrbringer verpflichtend machen, wenn eine Branchenvereinbarung bereits eine breite Marktabdeckung hat. Auch Online-Händler aus dem Ausland werden erstmals in die Pflicht genommen – ein wichtiger Schritt gegen Marktverzerrungen.
Im Bauwesen, das für über 80 Prozent des schweizerischen Abfallaufkommens verantwortlich ist, greift die Reform besonders tief. Kantone müssen künftig Grenzwerte für graue Energie bei Neubauten setzen, der Bund kann den Einsatz umweltfreundlicher Baustoffe vorschreiben. Besonders wichtig: Der Bund muss bei eigenen Projekten mit gutem Beispiel vorangehen.
Förderung durch Bildung und Plattformen ist ein weiterer Pfeiler: Die Revision sieht Mittel für Aus- und Weiterbildung, Innovation und die Unterstützung von Austauschplattformen vor. Gerade für KMU sind solche Netzwerke essenziell.
Reparierbarkeit – Zwischen Vision und Realität
Interviews mit Unternehmen wie Mammut oder V-ZUG zeigen: Reparierbarkeit ist zentral für die Kreislaufwirtschaft – birgt aber auch Hürden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Weniger Abfall, mehr Kundenbindung, internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Doch der Weg dorthin ist nicht ohne Stolpersteine: Komplexe Produktdesigns, hohe Lohnkosten, veraltete Konsumgewohnheiten und unklare Regulierung erschweren die Umsetzung. Die Wirtschaft fordert daher klarere Vorgaben, steuerliche Anreize und EU-weite Harmonisierung.
Fazit: Die Chance nutzen – Jetzt!
Die USG-Revision ist ein wichtiger Meilenstein – aber kein Selbstläufer. Die Wirkung der neuen Regelungen hängt maßgeblich davon ab, wie entschlossen Bund, Kantone und Unternehmen sie umsetzen. Insbesondere die vielen „Kann“-Bestimmungen müssen mit Leben gefüllt werden.
Die Schweizer Wirtschaft ist jetzt gefordert, Innovationen voranzutreiben, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln und bestehende Strukturen zu hinterfragen. Gleichzeitig muss die Politik für verlässliche Rahmenbedingungen sorgen – durch klare Standards, gezielte Förderungen und den Schulterschluss mit der EU.
Die Kreislaufwirtschaft bietet der Schweiz nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch wirtschaftliche Chancen. Wer heute in zirkuläres Design, Reparierbarkeit und Ressourcenschonung investiert, wird morgen resilienter, unabhängiger und wettbewerbsfähiger sein.
Es ist an der Zeit, diese historische Gelegenheit zu nutzen – gemeinsam für eine zukunftsfähige Schweiz.
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